Vor fünfzig Jahren waren Winter noch echte Winter. Solche die dem Namen auch gerecht wurden. Daran erinnert Müller’s heutige Notiz auf seinem virtuellen Nagel:
Im Winter war es für KleinMüller üblich mehr Zeit für den Weg zum Schulhaus einzuplanen. Frisch gefallener pulvriger Schnee mit kühnem Schritt zu durchkreuzen und immer wieder zurück auf die gelegte Spur zu schauen, war für ihn eine zutiefst erbauende Tätigkeit und forderte entsprechend Musse. Der Genuss konnte einen durchaus vergessen machen, dass Lehrer oder Lehrerin auf einen warteten. Und, es gab noch ganz andere Winterphänomene als blosser Pulverschnee, die bewirken konnten, dass der Lehrkörper seine ganze Schulklasse nicht wie vorgesehen pünktlich um sich versammelt bekam.
„Wo ist der Müller geblieben“, fragt der Lehrer in die Klasse. Keiner sagt etwas und die welche Genaueres berichten könnten schweigen, im Wissen um die Zusatzhausaufgaben welche sie aufgebrummt bekommen, würden sie berichten was auf dem Schulweg vorgefallen ist. Ihre Blicke halten sie drum auf ihre Geschichtsbücher gesenkt. Nicht aus zudenken, wenn ihre Eltern auch noch Kenntnis vom Vorfall bekommen, weil die Strafaufgabe von ihnen unterschrieben, zurück gebracht werden muss. Elterliche Schelte käme dazu.
So bleibt die Erinnerung des heute absolvierten Schulweges vorerst in den Köpfen der Schulkameraden KleinMüllers. Der wettete mit ihnen, dass er es schaffen werde, trockenen Fusses als erster in den Unterricht zu kommen. Einige Kameraden hielten gegen die Wette und vereinbarten in diesem Bewerb mit zu tun.
„Auf die Plätze, fertig, los“, rufen die Mädchen, welche sich klug zurück halten und bloss zuschauen. Die Burschen stürmen los. Nach wenigen Metern übernimmt KleinMüller die Spitze des Rennens. Mit kleinen, schnellen Schritten kommt er im pulvrigen Schnee leicht voran. Nicht umsonst stieg er heute morgen in seine ledernen Skischuhe mit der groben Profilsohle und der Doppel-Schnürung. Dort wo der Untergrund glatt und flach ist, wechselte KleinMüller in den Schlittschuhschritt und gewinnt so noch mehr Distanz zu seinen Verfolgern. Von denen gibt sich der eine und andere bereits nach wenigen Metern geschlagen, derweil sich die Verbliebenen unter den Hopp, hopp Rufen der Mädchen weiter mühen. Mühen, die Wette zu gewinnen und als Erster die Schulhaustreppe zu erreichen. Die Jungs vergessen vor Eifer völlig wo und auf was sie sich vorwärts bewegen.
Über Konsequenz und Gefahren hat sich keiner der kopflos Scheinenden auch nur einen Augenblick Gedanken gemacht. So kommt es wie es in solchem Fall meist kommt. Mit einem lauter werdenden Knirschen und überraschenden Knall findet der Wettbewerb der Buben ein jähes Ende. KleinMüller, immer noch Führender im Bewerb wird von nachgebender Naturgewalt, wenige Meter vor dem Schulhaus am Weiterstürmen gehindert. Seine schlingernd rudernden Armbewegungen helfen rein gar nichts. Er steht kurz nach dem Knall bis zum Bauch im eisig kalten Wasser. Schaut verdutzt um sich. Der weil die Eisdecke um ihn noch weiter einbricht. Die Mädel kreischen erst entsetzt und lachen kurz darauf wie sie KleinMüller bei der Flucht aus der sprichwörtlichen Patsche zuschauen. Der legt sich aufs Eis vor ihm und bringt sich kriechend in Sicherheit.
Die Idee, den phänomenal vereisten Bach, statt den pulvrig verschneiten Kiesweg hinunter zur Schule zu rennen, war wohl nicht die Beste. Mit den klatschnassen Klamotten konnte er nicht zum Unterricht. Schnell nach Hause die Kleider wechseln. Wartender Lehrer hin oder her.
Wir Mädels sind halt vorsichtiger…glaub es mir,aber die Winter waren damals vielleicht doch anders??? ich Masern,Schwesterchen auch und draußen tobten alle im Schnee und das alles durfte man hinter verschlossenen Gardinen sehen *motz*
Ich und mein Bruder waren im Winter auch, wenn irgend wie möglich draussen im Schnee. Nur zu oft erging es mir jedoch wie dir und deinem Schwesterchen. Ich lag mit irgend einer Erkrankung im Bett. Puhhh…
Ja an weisse Winter und den Kuhnagel, nasse Handschuhe und wunderbare Keilhosen kann ich mich sehr wohl ganz genau erinnern… da ich jedoch ein sehr vorsichtiges, ja eher ängstliches Kind war, hätte ich dir bestimmt nicht zugejubelt!
So jetzt werde ich mich der Wellness hingeben….
Wünsche dir einen gemütlichen Feierabend und Wochenendeinklang
Brigitte
Da währe noch die Erinnerung an den Anorak, die Mütze mit dem „Zöttl“ den wir unter Mutters Anleitung selber anfertigen durften und die gefrorenen Toilette auf der Laube.
Sicher verdienst du die Wellness, weil so nehme ich an, die Kühe fleissig kalberten?
Wünsche dir einen gewellnesten Einstieg ins Wochenende
LG Müller
Oh, Schreck! Nicht auszudenken, was noch hätte passieren können… aber tatsächlich erinnere auch ich mich daran, dass die Winter ihrem Namen immer alle Ehre machten. Besonders schöne Erinnerungen habe ich an einen Traktor fahrenden Vater, der uns Kindermeute auf eineinander gebundenen Schlitten einmal mit seinem Traktor über das verschneite Feld und durch den Wald zog. (In Ostbrandenburg ist das Land nur hügelig.)
An unseren schulfreien Mittwochnachmittagen marschierten wir, unsere Davoser-Schlitten (Rodel) hinter uns her ziehend den Berg hoch, um bäuchlings mal Einzel oder in Fünferschlange auf ihnen, die gesperrte Strasse runter bis an den See zu fahren.
Raufgezogen wurden wir leider nie.
Die Winter waren tatsächlich noch richtige Winter. Nur wohnte ich in der Großstadt und dort wurden schon Ende der 50er und Anfang der 60er Jahre die Straßen in der Früh schon geschippt oder dick mit Salz bestreut. Wen interessierte da die Umwelt. Keinen… Wir stapften dann voller Wonne durch die Schneeberge am Straßenrand oder spielten auf den Grundstücken mit den restlich verbliebenen Ruinen aus dem Krieg.
Meine Eltern waren zeitweise für die Hauswartung unseres Wohnblockes verantwortlich. Weil im Stiegenhaus kein Streusalz erwünscht war, streuten wir Jungs nach dem morgendlichen Schneeschippen nur an wirklich gefährlichen Stellen. Die Schneeberge am Strassenrand wurden am Abend von Kinderscharen ausgehöhlt und zu Schneehütten umfunktioniert.
So. Heute habe ich statt den Morgennachrichten eine Schulweg-Kindergeschichte gelesen und denke, ich werde den Autor dem Nobelpreiskomitee vorschlagen. Schon allein wegen der Ehrlichkeit des Autors. Ich grüße dich aus dem nun endlich verschneiten Pinzgau.
Freut mich riesig wenn dir meine Kindheitserinnerung wichtiger als die Morgennachricht war. Es macht Spass das eine oder andere aus dem Erinnerungskästchen auf den Notiznagel zu piksen.
Grüsse mir Mittersill und Kaprun wo ich im letzten Jahr 2x genächtigt habe.