fünf Monate

ruht Müllers Notiznagel schon, es wird Zeit in die Tastatur zu greifen. Seit Anfang des Jahres geschah einiges. Viel erfreuendes, aber auch so manches was zum Nachdenken anregt.

Der Start ins Neue Jahr begann mit einer Wohnmobil-Tour in den Schwarzwald. Fast kein Schnee auf und um unseren Lieblings-Stehplatz veranlasste uns bald aus der Gegend wieder Richtung Hause zu fahren. Ob es je wieder in tiefen Lagen um 900 Meter über Meer Schnee gibt? Eine Schneedecke die liegen bleibt? Da drauf, bei knackig tiefen Temperaturen, Schneeschuh laufen, im Pulverschnee? Wäre das schön?

Wieder daheim verflog der Gedanke schnell. Die Enkelin, mit der der Müller noch vor wenigen Tagen den vereisten Rodelhang am Feldberg runtersauste, das sonst so lebensfreudige Kind, lag mit Verdacht auf Lungenentzündung im Kinderspital. Es begannen Tage ausgefüllt mit Hoffen und Bangen.
Nicht nur, der Parkettboden im Wohnzimmer sollte laut Vermieter erneuert werden. Dies verschaffte etwas Ablenkung. Alle Möbel raus! Was nicht ganz zutrifft. Sie mussten bloss in die übrigen Zimmer gestellt werden. Die Enge dort führte dazu, dass Müllers ihre Wohnung verliessen und eine Woche im Wohnmobil hausten. Nicht wirklich prickelnd, das Mobil stand die ganze Zeit in einer Tiefgarage. Wegfahren wollten wir nicht. Was die Handwerker in unserer Wohnung werkelten interessierte uns. Dazu kam die Sorge um die erkrankte Enkelin. Deren Gesundheitszustand hatte sich verschlechtert. Die Sauerstoffsättigung ihres Blutes war miserabel. So ging die Woche in der Wohnmobil-Unterstand mit viel Auf und Ab zu Ende.
Wir hatten einen neuen Boden im Wohnzimmer, dazu schneeweisse Wände, die Maler vergass ich bis jetzt zu erwähnen und eine kranke Enkelin im Spital.

Das Umräumen der Möbel klappte reibungslos. Die bestellten drei neuen Möbel wurden pünktlich geliefert, super. Nur wurden zwei statt drei geliefert. Ärgerlich, zumal der Verkäufer sich bei Müllers Nachfrage derart brüstete alles bestens eingefädelt zu haben. Das zweite Stück sollte in zwei Teilen geliefert werden, kam jedoch als Einzelstück zu uns, und ging sofort wieder zurück an den Absender. Was wir damals nicht wussten war, wie lange wir auf die korrekte Lieferung warten würden. Da war doch was mit einem Virus!

Bei der quirligen Enkelin stellten die Ärzte in der Zwischenzeit ein Loch in einem Lungenflügel fest. Irgendwas musste sich da eingenistet und am Organ geknabbert haben. Die Atemluft kam teilweise nicht am richtigen Ort an und musste mit einem Schlauch abgesaugt werden. Es vergingen Tage bis das Loch zugewachsen war.

Schneehöhen, überfüllte Zimmer, schlafen im der Wohnmobil-Unterstand, Handwerker, falsch geliefertes Möbel was sind das für Bagatellen.

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Die Enkelin heute wieder quietschvergnügt als wär nichts passiert, dass ist dem Müller wichtig.

 

 

im Café, eine Begegnung

„Roman, setz dich in die Ecke ganz hinten!“, ruft eine Frauenstimme von der Selbstbedienungstheke herüber.

Roman läuft erst am Bistro-Tischchen wo der Müller sitzt vorbei, stopp dann seinen Schritt, hält inne, dreht sich um und setzt sich an das Tischchen neben Müller und wartet.

Die Frau welche von der Theke gerufen hat, kommt mit einem Tablet, darauf einen Tee, ein Glas Kindersirup mit Trinkhalm, dazu auf einem Teller eine Süssigkeit in Form eines Maikäfers.

Roman sieht die Frau, seine Mama wie sich herausstellt, nicht kommen. Er ist mit Müller seit er sich nebenhin gesetzt hat am berichten.

Vom letzten Wochenende, dem Besuch im Zoo. Dreimal musste er zu den Koalabären, laufen bis sie einmal nicht geschlafen hätten. Pinguine möge er auch. Drum trage er heute ein T-Shirt mit den lustigen Watschlern drauf.

Inzwischen geniest Roman sichtlich seine Süssspeise. Nippt ab und zu am Trinkhalm der im Sirupglas steht, um darauf mit seinen grossen Augen dem Müller zu erklären:

„Die Elefanten finde ich auch schön. Die sind so gross und stark.“

Mit einer schlaksigen Bewegung sticht er den Rest der Süssigkeit auf die Gabel in seiner Hand. Schwupp ist auch das letzte Stück im Mund von Roman verschwunden.

„Roman wir müssen gehen“, die Mutter drängt. Sie scheint in Eile zu sein.

„Tschüss“, sagt Roman, steht auf und geht seiner Mutter hinterher.

Jetzt hält Müller inne. Noch nie, konnte er sich mit einem Jungen der mit dem Down-Syndrom durch die Welt geht, so prächtig unterhalten.

Waschanlage, eine Begegnung

Es ist wieder mal Zeit für eine ausgiebige Wäsche. Nicht seinen PkW steuert Müller zur nahen Waschanlage. Sein Alltagsfahrrad das er den Winter durch kaum und im Frühling noch gar nicht genutzt hat, das schiebt er nun in die einseitig offene Waschbox. Ein Schweizerfranken in den Bedienkasten der Anlage geworfen, los geht es. Erst noch muss geklärt werden welches der Programme für ein von Spinnweben und Blütenstaub verdrecktes Fahrrad das Richtige sei. Müller findet Waschen, dann Spülen muss genügen.
Der Wahlschalter wird gedreht, dann der Startknopf gesucht. Das dauert. Bei der Suche wird Müller von einem Unbekannten angesprochen:

„Guten Tag, darf ich kurz?“

Der Mann bückt sich und holt aus einer Ecke der Box eine leere PET-Flasche, aus der anderen einen Plastiksack mit Inhalt, Müll.

„Sie glauben nicht was ich hier täglich zusammentrage“, sagt der Mann weiter, „die Leute glauben hier sei eine Entsorgungsstelle. Alles was sie beim Autowaschen los werden wollen, werfen sie in eine der Ecken.“

„Was soll es? Für mich hat das Ganze auch eine gute Seite“, spricht der Mann weiter, „so komme ich ab und zu von meinem Bürostuhl hoch.“

Erst jetzt bemerkt Müller den Anzug und die blauen Plastikhandschuh die der Mann trägt.

„Der Startknopf am Steuergerät ist links unten“, sagt er zu Müller, bevor er in der anderen Waschbox verschwindet.

 

Gotthard

Vor zwei Wochen wollten die Müllers mit Freunden in den Süden reisen.

Daraus wurde nichts, aber auch gar nichts. In Mitten in der Schweiz dämpften Schneefälle die Reiselust massiv und dem Müller fehlte es schlicht an Mut, sich auf ein Getümmel auf den Strassen zum Gotthard-Strassetunnel einzulassen.

Wieder mal lässt das Gotthardmassiv mit seiner Vielseitigkeit den Müller spüren wie klein Menschen und wie gross Naturgewalten sind.

Egal, jedenfalls kommt es Müller in den Sinn, dass er an den „Gotterd“, so nennen die Innerschweizer das Massiv, die eine oder andere Erinnerungen hat. Die müsste er doch mal auf seinen Notiznagel piksen.

Schulferien, Radtouren, zelten im Gebirge, Militärdienst, Autofahrt, Verirrt, Gewaltmarsch, Schlange stehen, Skifahren, Sonnenbrand und manches mehr, ziehen an Müllers geistigem Aug vorbei.

Aber schön der Reihe nach, erst muss Müller sich nach illustrierenden Fotos umsehen. Bilder sagen mehr als Worte. Drum bitte noch etwas Geduld.

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Vor rund fünfzig Jahren hat Familie Müller auch oft posiert. Wie das dabei zu und her ging, habe ich hier beschrieben. Meist wurde vor imposanter Kulisse mit angestrengtem Lächeln in die Kamera geschaut und gehofft dass es bald vorüber sei. Foto-Film-Meter-Verschwendung gab es nicht. Jede Aufnahme musste zu einem einigermaßen ansehnlichen Ergebnis führen. Das brauchte seine Zeit.
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Noch heute bewundere ich meinen Bruder der jeweils das Ganze über Minuten im Handstand abwarten konnte. Damals wie heute und schon gar nicht zwischenzeitlich ist mir ähnliches je gelungen.

Abschied von

diesem Mann, der so viele Male diesen „Notiznagel“ besuchte und  heute seinen 90. Geburtstag feiern wollte. Er weilt nicht mehr unter uns. Eigentlich sollte hier ein Geburtstagsgruss folgen. Nun ist es ein Abschiedsgruss geworden.

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Lieber Vati

Danke für alles was du für mich getan hast. Die vielen Stunden Arbeit für mein Erwachsenwerden. Die Sorgen um meine Gesundheit. Deine Toleranz und Verständnis wenn ich meinen eigenen Wege gegangen bin.
Ich bewundere deinen Lebenswillen, deinen Umgang mit Herausforderungen des Alltags und deine Gelassenheit gegenüber dem Sterben.
Das Andenken an dich trage ich in meinem Herzen.

Dein Sohn

PS: Ich freue mich schon heute auf die nächste Würfel-Runde mit dir in einer anderen Welt. Auch wenn ich dann vielleicht wieder gegen dich verliere.

 

Debakel am See, die Fortsetzung

Kleinmüller wirft den Haken samt Brotbällchen, Blei und Schwimmzapfen an der Angelschnur ins Wasser. Das weisse Lockbällchen am spitzen Haken ist schnell durch den Zug des Bleigewichtes in der Tiefe verschwunden. Der bunte Zapfen an der Wasseroberfläche kippt von einer Seite zur Andern. Er entfernt sich langsam vom Ufer in den See hinaus. KleinMüller setzt sich auf einen Stein der in den See hinein ragt und beobachtet was der rotweisse Schwimmer so tut. Der tut nichts. Teilnahmslos schwimmt er aufrecht stehend auf der Wasseroberfläche. Nach ein paar Minuten dreht KleinMüller die Angelschnur zurück auf die Rolle an seiner Rute. Wie der Haken aus der Tiefe an die Wasseroberfläche kommend, ist der Köder weg. Ein neuer wird montiert und zu Wassergelassen. Diesmal treibt der Schwimmer in Ufernähe im Wasser. KleinMüller sieht in der Tiefe kleine Fische zum Brotköder schwimmen. Sie lassen sich vom spitzen Haken nicht aus der Ruhe bringen. Fressen die ganze Brotkugel weg und verschwinden.

KleinMüller lässt sich nicht lumpen, steckt einen neuen Köder. Fischen brauche Geduld, sehr viel Geduld erklärte im sein Nachbar vor ein paar Tagen. Von ihm hat er die einfache Erstausrüstung bekommen. Also warten und dem Schwimmer nachschauen.

Einen Moment fallen dem Jungangler die Augen zu. Wie er wieder auf das Wasser schaut ist der bunte Zapfen verschwunden. Er spürt wie die Angelrute in seinen Händen von ihm wegzogen wird. Mit aller Kraft der linken Hand zieht er die sich biegende Rute zurück und beginnt mit der anderen Hand möglichst langsam an der Rolle drehend die Angelschnur einzuholen. Die Spitze der Rute biegt sich bedrohlich zur Wasseroberfläche nieder. Geschickt lässt KleinMüller die Schnur wieder etwas ab der Rolle laufen. Diesen Vorgang hat er seinem Nachbar abgeschaut. „So kannst du den Fisch müde machen“, hat er erklärt. Doch dieser Fisch will nur eines. Schnell den Haken los werden. Vor KleinMüller reisst die Schnur mal nach rechts, dann links weg. Das Hin und Her dauert. KleinMüller sieht im Wasser den sich windenden Fisch. Der wehrt sich  zappelnd als er aus dem Wasser gehoben wird.  Die Angelrute biegt sich bedrohlich. Eine Frage der Zeit bis der Bambus splittert. Jungangler Müller weiss sich zu helfen. Er zieht den Fische über die Uferböschung an Land und lässt ihn so liegen.

Wie er den ziemlich langen Fisch an Land zappeln sieht, wird ihm klar dass er noch nie einen Fisch vom Haken genommen hat. Ratlos steht er erst noch einen Moment vor dem sich windenden Fisch. Dann rennt er los. Zurück in die Wohnung wo Mutter gerade das Frühstück vorbereitet. Die Wohnungstür aufstossend ruft er laut: „Einer hat angebissen, Hilfe ich bekomme ihn nicht vom Angel!“ Mutter ruft: „Ich komme“. Macht sich hinter ihrem Sohn, der voraus rennt auf den Weg zum Seeufer. Dort steht KleinMüller und schaut nur dämlich auf die Szene die sich an der Uferböschung abspielt.

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Über dem geangelten Fisch oder besser was davon noch übrig ist, wacht fauchend die Katze der Nachbarin. Ein grösseres Stück vom Fisch ist bereits verschwunden. Vermutlich in den Bauch der Katze. Die buckelt und lässt niemanden zum Fisch.

KleinMüller ist irgendwie  froh darüber. Fische fangen ist das Eine, diese vom Haken nehme und umbringen das Andere. Vor letzterem fürchtet sich Müller noch heute. Drum hat er seit damals keinerlei Fischereiutensilien mehr in Gebrauch gehabt.

Debakel am See

Es ist früher Morgen. KleinMüller kann es kaum erwarten, den vom Vater ausgeliehenen Wecker klingeln zu hören. Zwar hätte er ihn gar nicht gebraucht. Schon länger wach, auf dem Rücken in seinem Bett liegend, versucht er die aufgemalten Ornamente an der Holzdecke zu erkennen und überbrückt sich damit die Wartezeit. Bis anhin sah er die Malereien in der Dunkelheit nicht. Nur langsam findet immer mehr  Tageslicht seinen Weg durch die zugezogenen aber nicht ganz geschlossenen Fensterläden ins Zimmer und lässt die Umrisse von pastellfarbig aufgetragenen Deckenornamenten sichtbar werden.

KleinMüller mag nicht mehr auf das Klingelzeichen warten, steigt leise aus seinem Bett um sich anzuziehen. Wie er seine Hose die Beine hochstreift, beginnt der Wecker mit einen ohrenbetäubenden Lärm seine Signalarbeit. KleinMüller juckt, die Hose um seine Beine geschlungen, als Sackhüpfer in Richtung der Kommode wo die Lärmquelle ihrer Arbeit nachgeht. Beim Versuch den Wecker ruhig zu stellen, fällt der zu Boden, was das Klingeln noch schriller ertönen lässt. Der Zeitmesser, getrieben vom mechanischen Gedärm in seinem Blechgehäuse, dreht sich ratternd auf dem Holzboden um seine eigene Achse. KleinMüller stoppt mit einem Fuss die Drehung. Hebt den Wecker auf und wirft ihn unter die Bettdecke. Dort können sich die lärmtreibenden Wecker-Innereien entspannen ohne die Hausbewohner aus dem Schlaf zu schrecken.

Fertig angezogen öffnet KleinMüller seine Schlafzimmertür. Auf Zehenspitzen tritt er in den Flur der Wohnung. Greift nach Metalleimer und der neuen Angelrute welche in der Ecke neben seiner Zimmertür stehen. Im Eimer liegt ein Stück Brot. Das hat er sich am Vorabend zurecht gelegt. So beladen zieht er los. Hinab über die knarrende Stieg zur Haustür. Da muss er zuerst die Hände frei machen und Eimer und Angelrute hinstellen. Mit beiden Händen greift er an die Türklinke um die Tür leise zu öffnen und weit aufzustossen. Mit seinem Hinterteil lässt er sie nicht zurückschwingen und greift erneut nach seinen Angelutensilien. Tritt über die Türschwelle, steigt vier Stufen die Steintreppe hinunter und marschiert zielstrebig ums Haus herum, runter zum Garten der an den See grenzt. Vorbei an Gemüse- und Blumenbeeten gelangt er ans Ufer.

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Die Luft fühlt sich kühl an. Die Morgensonne scheint erst an der vom See abgewandten Hausseite, sodass nur ein langer Schatten über den müllerschen Garten bis runter an das Seeufer geworfen wird. Voller Tatendrang stellt der KleineMüller den mitgebrachten Eimer in die Uferböschung. Nimmt das Stück Brot aus der Tiefe des Eimers. Mit dem weichen Brotinnern rollt er zwischen seinen Fingern kleine Bällchen zu Ködern und legt sie auf die Grenzmauer zum nächsten Grundstück. Die in der Mitte geteilte Angelrute steckt er zu einer Ganzen zusammen. Prüft den Schwimmzapfen, die kleinen Bleigewichte und den Angel auf ihren Sitz an der Angelschnur. Alles am richtigen Ort. Noch schnell den Eimer mit Wasser füllen, das erste Brotbällchen an den Haken gepikst, los geht es. Petri heil.

Fortsetzung morgen ……

Mittwoch

Es ist der Beginn eines schulfreien Nachmittages.
„Ruhe“, ertönt eine Stimme aus dem Hintergrund. Im Raum verstummt auch das letzte leise Getuschel. Es wird stockdunkel um KleinMüller. Die Spannung steigt. Die vom langen warten auf der Holzbank steif gewordenen Hinterbacken spürt er inzwischen nicht mehr. Sein Blick richtet sich nach vorne, ungefähr dorthin, wo es auf dem aufgespannten, in Dunkelheit verborgenen Leintuch gleich wieder hell werden wird.
Hinter KleinMüllers Rücken beginnt es deutlich hörbar zu surren. Ein lauter Klacks, auf dem Leintuch beginnen, beleuchtet durch die Projektor-Lampe, Bilder zu laufen.
Erst läuft ein Film mit Laurel und Hardy. Anschliessend folgt ein Disney-Trickfilm. Junge Augenpaare starren gebannt auf die improvisierte Leinwand. Nehmen jede Bewegung war. Auch solche welche kein Gelächter auslösen. Beide Filme dauern nur wenige Minuten, dann Pause.
„Wann geht es weiter?“ fragt einer mit zwinkernden Augen, geblendet vom normalen Lampenlicht.
„Für dich und alle die noch nicht in die 5.Klasse gehen, ist Schluss! Der nächste ist ein echter Wildwest Film. Der ist nicht für kleine Kinder. Raus mit euch!“
Murrend schlurft KleinMüller mit anderen aus dem Raum.
Vorbei seine erste Heimkino-Vorstellung.
Übrigens die Vorstellung richteten die älteren Geschwister meines Schulkameraden Markus, dem jüngsten Sohn des Bäckers in unserem Dorf, in ihrem Wohnzimmer aus.
Bestimmt erinnert sich nun auch die Eine oder der Andere von euch an seinen ersten Kinobesuch. Wer mag, schreibt mir von diesem Erlebnis. Bin gespannt.

Ein Männlein

Namens Müller kroch im Walde.
Zufriedenstellend seine Sucht.

Warf er sich ins Gebüsch.
Lugte unter kleine Tannen.

Um viele in den Korb zu sammeln.
Scheute ihn kein Plag.

Nadeln in der untersten Hos.
Blasen, müde Knochen.

Nur den Zeck er gar nicht mag.

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Eines sei gesagt, auch im nächsten Jahr wird den Pilzen nach gekrochen.

viel Ehre

Auf die Plätze fertig, los!

Er tritt in die Pedalen. Vor dem Haus in dem er wohnt, fällt die Strasse leicht ab. Schnell nimmt das Fahrrad auf dem er sitzt Fahrt auf. Wie er wieder von der Strasse auf und nach vorne schaut, sieht er wie alle seine Konkurrenten durch die Rechtskurve verschwinden. Nach wenigen Augenblicken ist auch KleinMüller an dem Ort wo die anderen rum geschrammt sind. Er legt sein Fahrrad in die Kurve und kommt in einem Zug ohne zu bremsen rum.

Die Strasse fällt nun steiler ab, die Fahrt wird schneller. Das STOP-Signal neben der Einfahrt in die Hauptstrasse kommt rasend schnell näher. Ein Blick nach links, kein Auto in Sicht! Wieder ohne zu bremsen durch die Kurve. Auf der Geraden das Fahrrad aufrichten und strampeln, strampeln was die Beine hergeben. Die Mitstreiter, alle um Köpfe grösser als KleinMüller pedalieren schon auf der Höhe der neuen Kirche, werden im Nu die Rechtskurve beim Schulhaus erreichen und sind damit wieder ausser Sichtweite. Sie sind alle nicht nur grösser, auch viel stärker und damit die klaren Favoriten auf den Sieg, in dem kurzfristig, vor dem Mittag einberufenen Radrennen.

Wie KleinMüller um die Schulhauskurve zieht, sieht er am Ende der sich ihm in den Weg stellenden Steigung die letzten beiden Grossen am Horizont verschwinden. Er drückt den Hebel der Armatur für die Dreigangschaltung nach unten, hebt seinen Hintern aus dem  Sattel und schwingt im Wiegetritt auf seinem Rad den steilen Hügel hoch. Oben angekommen, fährt er wiederum alleine bis zum Haus wo er wohnt. Jetzt sind alle verschwunden. 12 Runden sind ausgemacht, es beginnt KleinMüllers Zweite. Der Durst wird grösser. Drum hält KleinMüller bei der Alten Kapelle. Vor der steht ein Brunnen. Da gibt es köstlich frisches Wasser zu trinken. Wie er sich zum Wasserspeier vorbeugt, künden seine Konkurrenten im Vorbeisausen die erste Überrundung an. Schnell steigt er wieder auf sein Fahrrad um den Grossen nach zu kommen welche bereits wieder um die Schulhauskurve biegen. Dieses Mal bleibt KleinMüller im Sattel sitzen um im kleinsten Gang seiner Kettenschaltung den Hügel zu erklimmen.

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Natürlich hat er auch dieses Mal das nachsehen. Alle sind schon wieder weggefahren. So geht das Runde für Runde. Keiner der Mitstreiter kommt mehr in Sicht. Mit hochrotem Kopf und keuchendem Atem kämpft sich KleinMüller weiter. Weiter bis er erstarrt von dem was er am Strassenrand zu sehen bekommt. Seine rasende Fahrt ausrollen lässt und schliesslich beide Bremshebel bis an die Handgriffe zieht, die Füsse auf den Boden stellt und nach Atem ringt.

Vor ihm stehen die Fahrräder seiner Konkurrenten. Die biegen sich vor lachen und halten ihre Bäuche wie sie aus der Deckung des nahen Gebüsches kommen.

„Das waren aber viel Ehrenrunden!“, ihr spöttischer Kommentar.

Fussballschuhe

Solcherlei nannte Müller nie sein eigen. Sonntags- und Werktagsschuhe, später zum Handballspielen Hallenturnschuhe, die gab es.

Mit einem dieser Schuhe Fussball zu spielen war vom Vater streng verboten. Er erkannte jede unzweckmässige Anwendung des Schuhwerkes sofort. Als gelernter Schuhmacher entging im nicht die kleinste Schramme an den Lederoberflächen. Noch heute schaut er jedem nach der Begrüssung auf das Schuhwerk, um für sich ein „schuhmacherisches Profil“ vom Gegenüber zu erstellen.

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Wurde damals auf der grossen Wiese hinter dem Schulhaus Fussball gespielt, zog dabei keiner Schuhe an. Alle rannten mit baren Füssen dem runden Leder nach. Keinem währe in den Sinn gekommen dem Gegner auf die Füsse oder in die Wade zu treten. Der eigene Fuss konnte dabei schnell zu Schaden kommen. So war das raue Ballleder für alle in gleicher Weise auf der Haut des Fusses zu spüren. Nach dem Torschuss brannte die Stelle der Haut wo der Ball seine Flugbahn antrat wie Feuer. Keiner merkte in seinem Eifer etwas davon.

Drum denkt sich Müller die Spiele an der Fussball – WM würden fairer verlaufen, müssten die Profis ohne Schuhwerk den Ball vorantreiben!

am Meter

Früh am Morgen, Augenpaare schauen an Gitterstäben vorbei durch ein weit geöffnetes Fenster. Durch dieses dringt ein betörender Duft in die Nasen der Schauenden. Unter den Gesichtern am Fenstergitter ist auch das von KleinMüller. Heute war er einer der Ersten beim Sims, in das die Gitterstäbe vor dem offenen Fenster eingelassen sind und hat so freie Sicht in den hell erleuchteten Raum dahinter.

Dort arbeitet konzentriert, trotz der vieler Gaffer ein junger Mann an einem langen Tisch. Gekleidet mit einer hellgrau Hose mit feinen schwarzen Quadratmuster. Sein Oberkörper ist mit einem weissen T-Shirt bedeckt. Auf dem Kopfe trägt er einen Hut aus Papier. Mit Eifer und viel Geschick legt er nacheinander meterlange dünne Biskuit-Streifen über die darunter liegenden, welche er zuvor mit einer gelbfarbigen, cremigen Schicht bestrichen hat. Den ersten beiden Schichten folgt die dritte und vierte. Die wird an Stelle der cremigen mit einer dicken zuckrigen Glasur bestrichen. Die Augen der jungen Zuschauer leuchten wie der Mann seine Arbeit beendet und beginnt die Süssigkeit in Stücke zu schneiden. Der Anfang und das Ende sind zu kurze Schnitten um verkauft zu werden und auf die hat es, wie alle anderen, auch der KleinMüller abgesehen.

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„Mir auch“, rufen Kinder durch das Fenster! Strecken ihre Arme durch die Fenstergitter dem Mann entgegen, wie der die Abschnitte auf einem hölzernen Schneidebrett zu den Wartenden ans Fenstersims bringt. Dieses Mal umfasst KleinMüller ein Stück mit allen Fingern seiner Hand. Nicht wie letztes Mal als er nur mit Daumen und Zeigefinger das klebrige mit Zuckerguss bestrichene oberste Biskuit festhielt um die Schnitte vom dargebotenen Holzbrett zu nehmen und dabei zusehen musste wie die unteren Teile samt  Zwischenschichten auf dem Plattenboden der Backstube aufschlugen. Die, welche ein Stück cremige Schnitte ergattert haben, wenden sich rasch mit ihrer Beute vom Fenster weg und schieben sich genüsslich die Süssigkeit in den Mund.

Mit einem Nicken, denn der prall gefüllte Mund lässt keine verständlichen Worte zu, pflichtet KleinMüller seinen Kameraden bei: „Alle wollen wir Konditoren werden, so gibt es täglich frische Crème-Schnitten zu naschen.“

sicher jedes Wochenende

„Du  kommst zuerst dran“, ruft KleinMüllers Mutter in der Küche stehend. „Mach dich bereit, es geht gleich los.“

Mit lässigem Schwung wirft der Gerufene die Tür zur Küche zurück und tritt ein.

Auf dem gasbetriebenen Herd stehen die zwei grössten Pfannen im Hause Müller. Gefüllt mit Wasser bis zu ihren Rändern über züngelnden Flammen.
Die Pfannendeckel klappern, der Wasserdampf entweicht mit zischendem Geräusch. Er breitet sich  im  Raum noch stärker aus, wie Mutter Müller den Deckel von der einen Pfanne nimmt. Diesen weglegt um die schwarzen Pfannengriffe zu packen und an ihnen den Behälter samt brodelndem Inhalt hoch zu hebt. Nach einer Rechtsdrehung sind es zwei Schritte, hin zu den beiden Küchenschemel welche eng zusammen gestellt da stehen.

Das kochende Wasser schüttet Müllers Mutter in den metallenen Zuber, der auf den Schemeln thront. Mit Kaltem wird das kochende Wassers auf Badetemperatur gebracht.

Inzwischen steht KleinMüller, die Kleider ausgezogen splitternackt bereit mit Mutters Hilfe in den Zuber zu steigen. Kaum hingesetzt, wird noch trockene  Haut an KleinMüller mit einem Waschlappen tüchtig angefeuchtet, darauf muss er wieder aufstehen, wird eingeseift, darf sich setzen, Haare werden shampooniert, Seife mit dem Lappen abgewaschen. Schon naht der Höhepunkt der Prozedur.

Die einshampoonierten Haare werden vom Schaum befreit! Rasch den Waschlappen vor die Augen gepresst, derweil MutterMüller mit dem zweckentfremdeten Milchkrug in der Hand dasteht und beginnt aus dem Tongefäss Wasser über KleinMüllers Kopfhaar zugiessen. Diesmal kommt kein Tropf des Shampoo in seine Augen. Kein Gebrüll wird notwendig, alles richtig gemacht oder einfach Glück gehabt. Bis zum kommenden Wochenende

„Der Nächste bitte!“ Doch KleinMüllers Bruder ist verschwunden. Dies jedoch wird eine andere Geschichte.

Nachfolgend ein ErwachsenerMüller-Zuberbad-Foto zum Veranschaulichen der Szene:

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erstes und letztes Mal

Ihr erinnert euch an meinen Zettel mit der Notiz um die Begegnung mit der Pferdeherde in Tunesien? Wer glaubt Müller habe auf dem Absatz kehrt gemacht und die Einladung der beiden Pferdeführer ausgeschlagen, der lasse sich beim Lesen der nächsten  Notiz überraschen.

Pünktlich wie besprochen, trifft dieser am anderen Morgen bei der Flussmündung ein. Derjenige der Männer, die ihn am Tag zuvor auf seiner Laufrunde erstarren liessen und anschliessend zum Reiten einlud, dieser Mann führt Müller zu einer der Mauern die das Flussbett begrenzen.
„Steig auf die Mauer, dann ist es einfacher“, rät er ihm. Kaum steht der oben, biegen sie bei der Flussmündung vorne um die Ecke und bleiben kurz darauf in einer Reihe an der Mauer stehen. Müller setzt sich, hat kaum die Füsse durch die beiden Bügeln gesteckt, schon läuft die Karawane wieder los.
Das Flussbett mit seinen Mauern als Uferbegrenzungen eignet sich dank nur wenigen Unterbrüchen vorzüglich um Touristen alleine reiten zu lassen. Die selbstsicheren Pferde wissen ab der Art und Weise wie sich ein Reitgast in den Sattel gesetzt hat, was sie mit ihm anstellen können. Von den Gästen mit Reiterfahrung spüren sie im Nu wo es lang geht und kriegen Schenkel und Fersen zu spüren. Mit den Unerfahren jedoch treiben sie allerlei Spiele.

Die einfachste solcherlei Spielereien ist das Stehenbleiben, sich nicht vom Fleck bewegen. Ein Andere, Laufen wohin Pferd gerade Lust hat. Weitere sind, nahe an Dornengestrüppen vorbei gehen, damit sich die leicht bekleideten Touristen die Haut ritzen. Oder den Hals drehen und nach den Füssen des Reiters schnappen.

Müller muss einsehen, dass er kein Meister des Reitfaches ist.  Sein Beisser schnappt mal von links, mal von rechts nach seinen Füssen. Bleibt stehen oder läuft im flotten Trab sobald er die Lücke in den Ufersteinen findet die Böschung hoch. Hilflos schaut Müller zurück. Versucht mit „Brrrrrr…Hohhh“ rufen und Zug an beiden Zügeln der Lage Herr zu  werden. Das Pferd unter ihm reagiert nicht wie gewollt. Viel mehr wird es angestachelt noch mehr zu bocken. Alle beschriebenen Faxen werden angewendet. Pferd um Pferd beginnen sich störrisch zu gebärden und ist von den Unerfahrenen nicht zu bändigen. Beiden Pferdeführer amüsieren sich erst köstlich. Wie ihre Gäule in alle Himmelsrichtungen davon zulaufen, reisst ihnen der Geduldsfaden. Mit Pfiffen und Peitschenschwingen untermalt von Wortfetzen die sich wie derbe Flüche anhören, rufen sie die Widerspenstigen  mit den hilflosen Reitern zurück ins Flussbett. Dabei scheut von allen Müllers Gaul am heftigsten. Einer der Begleiter muss das Pferd an den Zügel, samt dem sich ans Sattelhorn Klammernden , vom Hügel runter bringen.

Unten angelangt winkt er Müller vom Beisser, der sich aus Hohn wiehernd abwendet. Da geschieht etwas Unerwartetes. Der Begleiter drückt dem Unbeholfenen die Zügel seines arabischen Halbblutes in die Hand und heisst ihn aufsteigen. Zögerlich zieht sich Müller in den Sattel. Es fühlt, sich oben angekommen, ganz anders wie auf dem Beisser an. Das Halbblut reagiert auf den kleinsten Schenkeldruck. Läuft los wenn sich sein Reiter etwas nach vorne beugt und seine Fersen nur andeutungsweise nach hinten bewegt. Es hält an, wenn er sich zurück lehnt und die Zügel gleichmässig sanft zu sich zieht.

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Schliesslich lässt es sich ohne störrisches Gehabe, vom Reiter der die Zügel nur noch in einer Hand hält, in jede gewünschte Richtung bewegen.

So nimmt die erste Reitstunde, die auch die Letze in Müller bisherigen Daseins ist ein versöhnliches Ende.

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