Die Reifen auf den Carbon-Felgen haben heute einen kleineren Luftdruck inne. Die Strassenbeläge werden ständig wechseln. Vom Babypopofeinen, zum dick Verstaubten und von Kopfsteinpflaster übersäten wieder zurück. Der Strassenbelag ist das Eine, richtig schwierig ist es die Steigungen hoch zu kommen. Zum Glück stehen da die Zuschauer hinter Sperrgittern wie im Zoo. Sie brüllen wie am Spiess was motivieren soll. Müller teilt sie auf in Freunde, Fans und Fanatiker. Wer wer ist, keine Ahnung.
Auf der letzten Runde, jetzt um die Rechtskurve rein in die mit Kopfsteinen übersäte Steigung. Die türmt sich immer steiler auf. Nur das Hinterteil nicht vom Sattel nehmen, der Gummi der Reifen auf den Carbon-Felgen würde dadurch seinen Griff zu den Holppersteinen verlieren. Tempoverlust die Folge, schlimmstenfalls wird man von einem gegnerischen Ellenbogen berührt, steigt vom Rad und stöckelt ans Ende der Steigung.
Müller hört die Fans, Fanatiker rufen. Sein Blut ist der Art in Wallung es kann nicht gefrieren, dafür stellt sich sein Nackenhaar. Geschafft als Erster oben, nur noch 15 Kilometer bis ins Ziel. Mit dem allergrössten Gang seiner Fahrradschaltung wirbelt er davon, braust dem Ziel entgegen. Die Gegner liegen schon eine Minute zurück! Noch 100 Meter, die Arme hoch, beide Zeigefinger in den Himmel gereckt. Es rollen zwei Reifen mit niederem Luftdruck auf Carbon-Räder über die Ziellinie. Gewonnen, Bravo!
Müller steht vom Fernseher auf, stapft in die Küche und holt ein Bierchen. Derweil beginnt die Siegerehrung für einen bekannten Schweizer Radfahrer welcher soeben in Flandern ein Rennen (hoffentlich sauber) gewonnen hat. Prost vom Zuschauer Müller.
Ich glaub, ich hab den Zieleinlauf verpasst. Letztens.
Wenn es klappt, hält der Schweizer heute Nachmittag wieder die Arme in die Höh. Werden sehen, ich drück ihm die Daumen.
Nichts gegen den Schweizer, ich mag keine Seriensieger. Allerdings, ich traf ihn mal vor vielleicht 10 oder 11 Jahren, da war er noch recht jung und sehr sympatisch. Wenn so einer aber in Serie gewinnt, habe ich immer Angst um ein Jahre später folgendes Geständnis
Die Angst habe ich schon länger. Seit er heut gewann noch mehr.