Das Trotti lehnt an der Hauswand vor einem der schmalen dreistöckigen Häuser in der Vorstadt. In der Wand oberhalb des Trotti-Parkplatzes ist ein grosses Schaufenster eingearbeitet. Der Bub, dessen Hände vor ein paar Sekunden die Lenkergriffe seines Trottinett losgelassen haben, rennt die wenigen Steinstufen zur schweren Holztüre hoch. Sie wurde vor Jahren an die tief eingemauerten Türangel gehängt. In die obere Hälfte der Türe ist ein rechteckige Glasscheibe in Form eines Fensters eingelassen, geschützt durch ein Eisengitter das auf die Türplanken geschraubt ist. Das Fenster gibt den Blick in einen Raum frei, in den der Junge in der kurzen Hose stürmt, nachdem er neben der Tür schnell am Klingelzug mit dem typischen Handgriff aus gedrehtem Metalldraht gezogen und die Tür aufgestossen hat. Die Klingelglocke bimmelt noch einen Moment weiter und der Bub steht im Raum, still ergriffen hält er inne und geniesst. Hier riecht es nach Leder, Wachs und Lösungsmittel aus dem Leimfass. Wie immer setzt sich der Junge auf einen alten Holzstuhl und schaut von der Seite dem Mann mit der umgehängten Schürze bei der Arbeit zu.
Dieser schneidet Lederstücke für Sohlen zurecht. Nimmt den Pinsel mit Kleber aus dem Fass. Bestreicht Schuh und Sohle um sogleich beides wiederum zur Seite zu legen. Auf einer Ablage liegen Werkzeuge kreuz und quer. Für was die alle gut sind? Der Jung schaut gespannt was weiter geschieht, und es riecht so gut nach Kleber und Leder. Die Klebeflächen von Sohle und Schuh werden vom Mann mit der verrutschten Brille aufeinander über den Schuhamboss zwischen seinen Beinen gestülpt und mit kräftigen Hammerschlägen aneinander geschlagen. Die so zu einander Geklebten dürfen auf der Ablage ruhen bleiben, derweil dem zweite Schuh dieselbe Prozedur widerfährt. Mit einem neu geschärften Ledermesser wird dem ersten Schuh das überschüssige Leder zum Schuhrand hin wegschnitten, dann dem Zweiten. Der alt Mann steht von seinem Stuhl auf dreht den Hauptschalter an der Wand nach oben. Die Maschine lässt sich nicht lange bitten und bringt mit riesigem Lärm die verschiedensten Schmirgel-, Bürst- und Polierrollen in rasende Drehung. Die Schnittflächen an den Sohlenränder werden geschmirgelt, das Oberleder poliert und fertig ist wieder ein Schuhpaar.
Wenn der Müller heute am Haus in der Vorstadt vorbei kommt, erinnert er sich immer ein halbes Jahrhundert zurück, an die Besuche in der Schusterwerkstatt seines Grossvaters. Dem „Grösi“ mit der Schürze, der verrutschten Brille und na klar dem Leimfass, dessen Deckel oft nicht richtig geschlossen war.