Die Bilder der Reiter erinnern Müller an einen Ferientag in Tunesien. Dort gibt es zugegeben selten Schnee. Damals auch nicht, als er im Frühherbst am Strand der Ostküste Halt machte.
Pferde aber, die gab es dort wie hier und etwas anders gekleidet Reiter versteht sich.
Der Wecker klingelt auf dem schmalen Nachttisch im Zimmer des Hotel Port El-Kantaoui, wo Müller für zwei Wochen Urlaub einquartiert ist. Wie bei anderen Ferienaufenthalten kann er es nicht lassen, auch hier frühmorgens mit leichten Laufschuhen an den Füssen, rennend die Umgebung zu durchstreifen. Die Schuhe fanden im Fluggepäck neben der Badehose problemlos Platz. Bei angesagten tagesmaximal Temperaturen um 40°C am Ferienziel, galt es beim Kofferpacken nur sommerliche Kleidungsstücke zu verstauen.
Es ist nach fünf Uhr morgens. Im Park des Ferienhotels hält die Morgenstille inne, wie sich Müller bei der Mauer zum Sandstrand mit Arm-, Rumpf- und Beinbewegungen aufwärmt. 10 Minuten genügen. Vom Meer hört man das gleichmässige Geräusch vom Ausrollen der heute kleinen Brandungswellen auf den Sandstrand. Über den östlichen Horizont steigt die Sonne höher wie er sich auf seinen Weg macht. Die Lufttemperatur ist angenehm. Die Luftfeuchtigkeit erträglich.
Die Profilsohlen der Laufschuhe greifen den Boden dort am besten, wo Wasser aus der ausrollenden Welle wieder zurück ins Meer fliesst. Da ist der Sand hart, wie Müller schnell bemerkt. Weiter oben am schräg zum Meer abfallenden Ufer ist der Sand von der Sonne ausgetrocknet, so locker, dass der Schuh bei jedem Schritt einsinkt und die Vorwärtsbewegung sehr anstrengend wird.
Müller läuft auf dem schmalen Streifen harten Sand in Richtung Norden. Ab und zu, wenn eine Welle höher als Andere ans Ufer hochsteigt, muss er nach links ausweichen um nicht Wasser in die Schuhe zu bekommen. Gedankenversunken schaut er mal auf das Meer zu seiner Rechten, dann nach links, wo eine Hotelburg nach der anderen im Blickfeld auftaucht. Nach einigen hundert Metern ändert der Baustil der Häuser. Bald sind bloss noch einfache, kleine Ziegelhäusern mit Blechdächern zu sehen.
Unerwartete Rufe, untermalt von unbekannten Geräuschen drängen von hinten in Müllers Ohren. Die Rufe werden schnell lauter. Wie er sich im langsamen Schritt umdreht, um nach dem zu schauen was sich nähert, bleibt er wie angewurzelt stehen. Bewegt sich weder nach links noch rechts.
Meter vor seinem Standort teilt sich eine Pferdeherde in vollem Galopp in zwei etwa gleich grosse Gruppen. Die Pferde am langen Zügel von zwei Reitern geführt, donnern ohne zu zögern rechts und links vorbei. Von der Meerseite, welche die eine Gruppe eingeschlagen hat, wird der verdutzte Müller mit Salzwasser geduscht und gleichzeitig auf der anderen Seite mit stiebendem Sand eingedeckt. Wie er sich verstört in die Richtung umdreht wo er heute hinlaufen will, haben sich beiden Pferdegruppen wieder in einer Herde vereint und verschwinden hinter einer Gischt- und Staubwolke.
Müller läuft mit erhöhter Anzahl Herzschlägen weiter in die Richtung welche Pferde und Reiter verschwunden sind. „Was wäre, wenn ich nicht stehen geblieben und statt dessen seitlich das Ufer hoch gerannt wäre?“ Die Gedanken drehen noch eine Weile Runden in seinem Kopf. Bis sich auf von Links ein breites Flussbett aus dem Landesinnern auftut und Müllers Blick sich im Laufen dorthin wendet.
Ein Reiter auf einem trabenden Pferd, winkt mit der Peitsche in der einen Hand. Mit der Anderen die Zügel führend, kommen beide, quer durch das ausgetrocknete Flussbett reitend, auf Müller zu. Es ist einer der Beiden welche zuvor mit ihren Pferden an ihm vorbei galoppierten. Erst versteht er den Mann auf dem Pferd überhaupt nicht. Das Wortgemisch von Französisch – Englisch und Deutsch klingt fremd. Nach weiteren Worten des Reiters, unterstützt von schwungvollen Gesten mit seinen Armen, dämmet es.
Es ist eine Einladung mit ihnen zu reiten.
Was nun? Müller ist des Reitens nicht mächtig!